Kritik am Wachstumsdenken

Der Fraktionssprecher der GRÜNEN im Kreistag Westerwald Michael Musil, mahnte Umdenken in seiner Haushaltsrede an.

Herr Landrat, sehr geehrte Kollegen*Innen

den Ausführungen meiner Vorredner ist nichts weiter hinzuzufügen, neue oder divergierende Aspekte sehe ich nicht. Die haushaltspolitische Punktlandung mit hohem Zufriedenheitsfaktor spricht für sich und kann mit allgemeiner Zufriedenheit hingenommen werden.

Eine Überlegung zum Jahresende möchte ich an dieser Stelle dennoch zum Ausdruck bringen:

Derzeit richten 238 engagierte Sozial- und Naturwissenschaftler*innen aus den 28 EU-Mitgliedsstaaten in einem offenen Brief einen Appell an die EU:

Das Streben nach Wachstum hat schon längst ökologische Grenzen überschritten, die der Menschheit einen sicheren Handlungsraum auf diesem Planeten geben. Das aggressive Streben nach Wachstum um jeden Preis spaltet die Gesellschaft, schafft wirtschaftliche Instabilität und untergräbt die Demokratie. Die aktuellen politischen Entscheider sind nicht bereit, sich mit diesen Themen zu befassen – zumindest bis jetzt nicht. Das offizielle Mantra bleibt Wachstum – jetzt lediglich neu gekleidet als ‚nachhaltig‘, ‚grün‘ oder ‚inklusiv‘ – aber dennoch in erster Linie Wachstum. Und obwohl es einen grundlegenden Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit gibt, formulieren selbst die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele das Streben nach Wirtschaftswachstum als politisches Ziel für alle Länder. Es ist daher höchste Zeit, dem vorgenannten Wachstumsstreben zu entsagen und sich Gedanken über die Einführung natürlicher Zyklen in die Ökonomie zu machen. Ziel muss es sein, dieses Gedankengut auf alle Entscheidungsebenen und an die Fakultäten der Ökonomen zu transportieren. Neue Gesellschaftsmodelle jenseits der bisherigen Strukturen sind auf allen Ebenen zu diskutieren. Die Terminologie von „vorankommen, Entwicklung, Ziele, Wettbewerb“ ist zu hinterfragen und mit Inhalten zu füllen. Seit den 70er-Jahren sind die „Grenzen des Wachstums“ vom Club of Rome definiert. “Das wachstumskritische Buch galt im Zeichen erfolgreicher Umweltpolitik und niedriger Rohstoffpreise als überholt. Inzwischen ist es wieder aktuell geworden? Zweifellos stößt der ressourcenintensive Industrialismus heute an kritischen Grenzen. „ (Prof. Martin Jänicke, 8.WW Wirtschaftsforum am 29.2. 2012)

Wir haben es bei dem Wirtschaftswachstum, wie es heute verstanden wird mit dem Zuwachs der Wirtschaftsleistung pro Jahr zu tun, wobei der Zuwachs des Vorjahres und der Jahre davor, jeweils in die Berechnung der aktuellen Jahreswirtschaftsleistung hineingerechnet wird. Es findet somit eine ständig größere Jahreswirtschaftsleistung statt. Es wird also nicht die Beibehaltung der im vergangenen Jahr erreichten Wirtschaftsleistung erwartet, sondern ein Zuwachs des bisher Erreichten inklusive der Zuwächse der vergangenen Jahre. Ist das wirklich das Ziel und die Absicht von Politik und Ökonomie? Nichts auf der Welt kann zeitlich unbegrenzt exponentiell wachsen!

Das als Denkanstoß für die weitere Arbeit, wenn es darum geht wieder etwas weiter zu „entwickeln“.