Die Erweiterung des FOC Montabaur erfordert Anpassungen bei der Planung und Kommunikation des Projekts 9. Oktober 20249. Oktober 2024 Pressemitteilung des Kreisverbands und der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Die Erweiterung des Factory Outlet Centers (FOC) Montabaur beschäftigt seit etwa vier Jahren zahlreiche Gremien im Westerwaldkreis und auch in den Nachbarkreisen. Bald werden sich auch Gerichte mit der Frage befassen, ob die Verdoppelung der Ladenfläche mit den Zielen des Landesentwicklungsplans in seiner vierten Fortschreibung vereinbar ist. Wir als Bündnis 90/Die Grünen im Westerwald diskutieren die Erweiterung innerparteilich und in unseren Gremien ebenfalls intensiv. Aus unserer Sicht ist festzuhalten, dass die Erweiterung für die Stadt Montabaur einen erheblichen wirtschaftlichen Zugewinn bedeutet. Die zusätzlichen Steuereinnahmen bzw. neu entstehenden Arbeitsplätze sind nicht von der Hand zu weisen und stellen die wesentlichen Argumente für die Stadt bzw. Verbandsgemeinde Montabaur dar, um dieses Vorhaben zu unterstützen. Die zu erwartenden Steuereinnahmen könnten zukünftig zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in der Stadt Montabaur bzw. in der Verbandsgemeinde beitragen, sofern sie sinnvoll reinvestiert werden. Die Vorteile dieses Ausbauprojekts liegen eindeutig in und um Montabaur. Gleichzeitig sehen wir als Kreisverband aus der Perspektive des gesamten Westerwaldes einige Widersprüche in der öffentlichen Argumentation des Betreibers, den Aussagen einiger Kommunal- und Landespolitiker*innen in den letzten Wochen sowie im raumordnerischen Entscheid der SGD Nord in diesem Sommer. Auf diese Widersprüche möchten wir im Folgenden hinweisen und gezielte Forderungen ableiten. Widerspruch 1: Die Erweiterung des FOC wird als besonders umweltverträglich dargestellt, da kaum neue Flächen auf dem Gelände versiegelt werden. Gleichzeitig werden jedoch durch die zusätzlichen ca. 1,6 Mio. Kundinnen und Kunden der Wasserverbrauch in der Region und die CO₂-Emissionen steigen. Durch die Erweiterung rechnen die Betreiber des FOC mit zusätzlich 1,6 Mio. neuen Kundinnen und Kunden pro Jahr. Diese ca. 4.900 zusätzlichen Personen pro Tag werden ebenso wie die ca. 65 neuen Ladeneinheiten den Wasserbedarf der Stadt Montabaur weiter erhöhen. Dies ist insbesondere mit Blick auf die durch längere Dürreperioden eingeschränkte Grundwasserneubildung auf der Montabaurer Höhe sehr kritisch zu betrachten. Für mehrere Millionen Euro wird derzeit die Wasserversorgung des unteren Westerwaldkreises durch eine Rohrleitung ins Rheintal erweitert. Ziel dieser umfangreichen Maßnahme ist es, durch das Heraufpumpen von Rheinuferfiltrat 10 % des Wasserbedarfs im unteren Westerwald sicherzustellen und die Resilienz der Wasserversorgung in Dürreperioden zu erhöhen. Damit dieses Großprojekt die Wasserversorgung langfristig sichern kann, darf der Wasserbedarf in der Region jedoch nicht weiter zunehmen. Die Erweiterung des FOC wird jedoch den Wasserbedarf im unteren Westerwald und speziell in der Verbandsgemeinde Montabaur weiter deutlich anwachsen lassen. Des Weiteren besteht beim FOC Montabaur eine hohe Abhängigkeit von Kundinnen und Kunden, die mit dem Pkw anreisen (ca. 85 % laut Betreiber). Durch die Erweiterung will man vor allem Personen aus Regionen mit mehr als 60 Minuten Fahrzeit, also über 100 km, als neue Kundinnen und Kunden gewinnen. Dies führt zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen auf den Autobahnen und damit zu steigenden CO₂-Emissionen. Ursprünglich wurde vor der Ansiedlung des FOC Montabaur im Jahr 2006 damit geworben, dass der ICE-Bahnhof Montabaur eine deutliche Nutzungssteigerung erfahren würde. Daten, die diesen Effekt belegen, fehlen jedoch, und angesichts der Passantenströme erscheint dies eher unwahrscheinlich. In den aktuellen Analysen wird das Potenzial des ICE-Bahnhofs erst gar nicht mehr berücksichtigt. Das FOC Montabaur richtet sich unserer Ansicht nach zukünftig noch stärker auf Kundinnen und Kunden aus, die per Pkw zum Shoppen kommen. Dies steht im Widerspruch zu den umweltpolitischen Zielen des Landes Rheinland-Pfalz und des Bundes, die beide eine Reduzierung des Individualverkehrs vorsehen. Zudem wird der Ausbau direkt an der Autobahnanschlussstelle zu einer erheblichen Steigerung des Verkehrsaufkommens führen. Diese Zufahrtsstraßen sind insbesondere in den Stoßzeiten am Nachmittag bereits jetzt stark belastet. Für die deutliche Zunahme des Verkehrs sind laut LBM Veränderungen der Verkehrsinfrastruktur erforderlich, die in der bisherigen Bauplanung nicht konkret berücksichtigt wurden und weitere infrastrukturelle Fragen (ÖPNV, Radwegenetz, Fußgängerwege) aufwerfen. Wir fordern daher Maßnahmen, um dem zu erwartenden steigenden Wasserbedarf und dem zusätzlichen Individualverkehr entgegenzuwirken. Zum einen muss der Wasserverbrauch im FOC so gering wie möglich gehalten werden. Auf die Bewässerung der begrünten Dachflächen und Fassaden muss dringend verzichtet werden. Ebenso müssen bei der Erweiterung Regenwasserspeicher angelegt werden, die direkt als Brauchwasserquelle im FOC dienen sollen. Zudem muss der Individualverkehr reduziert und die Anreise mit Bahn und ÖPNV gefördert werden. Hierzu sollte die Nutzung dieser Verkehrsmittel belohnt und die Anreise mit dem Pkw nicht durch lange kostenlose Parkzeiten begünstigt werden. Ebenso sollte auf die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf den begrünten Dachflächen gedrängt werden, damit der Energiebedarf des FOC teilweise selbst gedeckt werden kann. Der Betreiber muss zudem durch entsprechende Vorgaben in den Bebauungsplänen verpflichtet werden, auf den später noch vorhandenen Parkplätzen ebenfalls PV-Anlagen zu errichten. Widerspruch 2: Es wird ein geringer Einfluss auf das Einzelhandelsangebot anderer Kommunen prognostiziert, obwohl diese bereits jetzt mit den Folgen der Corona-Pandemie, der Inflation und der Ausweitung des Onlinehandels zu kämpfen haben. Insbesondere benachbarte Gemeinden wie die Stadt Wirges, die Verbandsgemeinden Ransbach-Baumbach, Bad Marienberg, Hachenburg und Westerburg befürchten eine erhebliche Verlagerung der Kaufkraft ins FOC zulasten des lokalen Einzelhandels. Mit dem FOC werden ihrer Ansicht nach Bemühungen zur Reaktivierung der Innenstädte, die durch die Corona-Pandemie, die Inflation und den Bedeutungszuwachs des Onlinehandels ohnehin vor massiven Schwierigkeiten stehen, konterkariert. Hinzu kommt, dass die Erweiterung im Widerspruch zu Landesförderprogrammen wie „Innenstädte der Zukunft“ und „Lebendige Zentren – Aktive Stadt“ steht, die mit erheblichen finanziellen Mitteln die Innenstädte beleben sollen. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Innenstädte mehr als nur Orte des Einzelhandels sind, sondern auch öffentliche Orte der Begegnung, Kultur, des politischen Austauschs und von Demonstrationen. Viele dieser Funktionen können aufgrund der bestehenden Hausordnungen im FOC nicht erfüllt werden. Eine Verlagerung der Menschen aus den öffentlichen Räumen der Innenstadt auf das Privatgelände des FOC Montabaur wirkt sich negativ auf das Zusammenleben in unseren Gemeinschaften aus. Auch sind die direkten wirtschaftlichen Effekte der Erweiterung des FOC für die Unternehmen der Region kurzfristig hoch (z. B. im Baugewerbe), langfristig jedoch eher gering, da die Ladeneinheiten ihre Produkte direkt von Herstellern beziehen, die überwiegend im Ausland produzieren. Lokale Unternehmen oder inhabergeführter Einzelhandel sind im FOC bisher nicht vorgesehen. Wir fordern daher, die Hausordnung des FOC Montabaur so anzupassen, dass die genannten Funktionen des öffentlichen Raums (Möglichkeiten der politische Willensbildung und des kulturellen Austauschs) auch auf der Fläche des FOC erfüllt werden können. Ebenso sollten die neuen Ladeneinheiten auch lokalen Unternehmen offenstehen, um regionale Wertschöpfungsketten zu fördern. Das Bekleidungsangebot im FOC muss darüber hinaus zukünftig stärker auf Firmen mit nachhaltigen und fairen Produktionsbedingungen ausgerichtet werden. Widerspruch 3: Das FOC soll zu einem zentralen Touristenmagnet im Westerwald werden, doch die Tourismusstrategie des Westerwalds sieht eine völlig andere Ausrichtung vor. Laut einer Analyse der IQ-Projektgesellschaft aus dem Jahr 2019 besitzt das FOC Montabaur keine signifikante touristische Anziehungskraft. Nationale und internationale Shoppingtouristen sind kaum nachweisbar. Dennoch wird angenommen, dass eine Vergrößerung der Verkaufsfläche zu einem erheblichen Anstieg internationaler Besucher führen wird. Der dadurch entstehende Shoppingtourismus wird von den Betreibern und der Stadt Montabaur als wichtige Ergänzung des touristischen Angebots der Region gesehen. Dies steht unserer Ansicht nach im Widerspruch zum aktuellen Tourismuskonzept 2024+ des Westerwalds.In diesem wird der Schwerpunkt auf Natur, Erholung und Individualisierung gelegt. Es zielt darauf ab, den Tourismus in den kommenden Jahren auf Naturerlebnisse wie Wander- und Radwege sowie Wellnessangebote auszurichten. Die Region soll für ihre entspannte Atmosphäre und authentische Naturerfahrungen bekannt bleiben, anstatt sich zu einem überlaufenen Shoppingziel zu entwickeln. Themen wie „Regrounding“ und „Detoxing“, also die bewusste Rückbesinnung auf Natur und Entspannung ohne Konsumzwang, spielen eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund erscheint es widersprüchlich, dass das FOC Montabaur, eine künstliche Einkaufserlebniswelt, als wichtiger Bestandteil der Vermarktung der Region genutzt werden soll. Die unterschiedlichen Motive der Zielgruppen – Naturtouristen und Shoppingtouristen – sind nicht kohärent und wurden bisher zu wenig berücksichtigt. Zudem werden die potenziellen positiven Effekte auf die umliegende Region, wie Hotellerie, Gastronomie und Handel, aus unserer Sicht überschätzt. Die Analyse der IQ-Projektgesellschaft geht davon aus, dass ein Besucher des FOC über seine Ausgaben im FOC hinaus noch den durchschnittlichen Betrag eines Tagestouristen in Rheinland-Pfalz ausgibt. Diese Annahme erscheint uns sehr unrealistisch. Auch die FOC-Leitung betont, dass das FOC besonders Städtetouristen aus Köln und Frankfurt am Main anlocken soll, die vermutlich kaum größere Ausgaben in Montabaur oder den angrenzenden Gemeinden tätigen werden, wenn sie am Nachmittag oder Abend in ihre Städte zurückkehren. Wir fordern daher eine realistische Einschätzung des erwarteten Mehrwerts für den Tourismus im Westerwald im Zusammenhang mit der Erweiterung des FOC. Es sollte klar kommuniziert werden, dass die Region auf Naturerlebnisse und Erholung statt auf Shoppingtourismus ausgerichtet ist. Widerspruch 4: Der prognostizierte Beschäftigungszuwachs soll im Vergleich zur Ausbaufläche überproportional zunehmen, obwohl im Einzelhandel der Bedarf an Personal pro Verkaufsfläche allgemein abnimmt. Die Erweiterung des FOC soll 600 neue Arbeitsplätze schaffen, was jedoch zweifelhaft erscheint, da dies mehr als eine Verdopplung der aktuellen Zahl von 493 Arbeitsplätzen wäre. Wie diese Steigerung von ca. 124 % bei einer Erweiterung der Fläche um ca. 80 % erreicht werden soll, ist nicht ersichtlich. Hier werden Aussagen der Betreiber aus dem Beginn des Erweiterungsprojekts im Jahr 2019 weiterhin unkritisch übernommen. Dabei werden Transformationen im stationären Einzelhandel und in der Gastronomie, wie Digitalisierung und Automatisierung, nicht ausreichend berücksichtigt. Laut der Bundesagentur für Arbeit weisen Berufe im klassischen Einzelhandel ein hohes Substituierbarkeitspotenzial auf. Bereits heute könnten ca. 30 bis 70 Prozent der Aufgaben in diesem Berufsfeld von Computern oder computergesteuerten Maschinen übernommen werden. Wir fordern daher eine zeitgemäße Anpassung der Prognosen zur Beschäftigungsentwicklung. Die Effekte auf die regionale Wertschöpfung durch Löhne und Gehälter müssen realistischer eingeschätzt und entsprechend kommuniziert werden. Widerspruch 5: Das FOC ist laut den Betreibern und der Stadtbürgermeisterin Melanie Leicher ohne eine Erweiterung zukünftig nicht marktfähig, obwohl die Besucherzahlen seit der Eröffnung deutlich gestiegen sind und die Auslastung der Ladenfläche stets gegeben war. Obwohl das FOC Montabaur seit mehreren Jahren erfolgreich am Markt ist, behaupten die Betreiber, dass es nicht die Position eines Besuchermagneten eingenommen habe, da es nicht mit größeren Outlets in der Region (wie Zweibrücken oder Roermond) konkurrieren könne. Ohne den Ausbau der Ladenfläche sei eine Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft nicht mehr gegeben. Gleichzeitig zeigen die Entwicklungen der Besucherzahlen bis 2019 keine Stagnation oder einen langfristigen Rückgang, der auf eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit hindeuten würde. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie die Betreiber die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit einschätzen werden, wenn andere FOCs, wie beispielsweise Zweibrücken, ihre Fläche ebenfalls erweitern. Wir fordern daher, dass der Standortwettbewerb mit anderen FOCs nicht zu einem Wettlauf um immer größere Verkaufsflächen führt. Eine erneute Erweiterung des FOC muss durch eine entsprechende Anpassung der Bebauungs- und Flächennutzungspläne kategorisch ausgeschlossen werden. Hier finden Sie diese Pressemitteilung als PDF.